Am letzten Montag, den 02.09.2019 fand die diesjährige ÖTILLÖ Weltmeisterschaft im Schärengarten von Stockholm statt. Bei diesem Wettkampf rennen und schwimmen die Zweier-Teams über 24 Inseln vom Fährhaus in Sandhamn zum Wärdshus auf Utö über eine Strecke von insgesamt 75 km. Die Schwimmabschnitte summieren sich auf ca. 10 km und die restlichen 65 km Trailrunning über Felsen, durch Wäldchen und über Wiesen, auf Trampelpfaden und wenige Schotter- oder Asphaltwege…
Warum erzähle ich das Euch hier?
Einige hatten ja diesen Sommer schon mitbekommen, das ich in meinem Schweden-Urlaub einen kleinen SwimRun (17km/3km) mitmachen wollte. Mein Trainingsplan (wenn man von Plan sprechen kann) war dementsprechend recht leicht und übersichtlich. Leider konnte ich dann am geplanten Rennen (wegen Dummheit?) nicht teilnehmen. Im Nachhinein war es wohl Vorsehung, denn in der letzten Augustwoche bekam ich einen verzweifelten Anruf meines Arbeitskollegen Stefan (TSV Jahn Freising). Er hatte sich zusammen mit seinem Bruder über die letzten zwei Jahre die Qualifikation für die diesjährige ÖTILLÖ WM erkämpft und jetzt fiel sein Bruder mit schweren Magen-Darm-Infekt aus. (Hätte ich wirklich gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich mir wahrscheinlich eine Ausrede einfallen lassen.) So habe ich mich kurz mit der Familie beraten, Urlaub verlängert, Flüge gecheckt und schlussendlich Stefan als Teampartner zugesagt.
Das Abenteuer begann somit am Sonntagmittag mit der Busfahrt vom Stockholmer Bahnhof zum Hotel nach Djurönäset. Eine schöne, weitläufige Anlage mit komfortablen Zimmern, einem großen Restaurant und einem Konferenzsaal, wo am späten Nachmittag die Wettkampfbesprechung stattfand.
Spätestens hier wurde mir dann doch etwas mulmig. Die meisten anderen Teams sahen aus wie mehrfache Ironman-Finisher, ehemalige Olympioniken wurden vom Race-Director Michael und den ÖTIILÖ Erfindern begrüßt und es wurde nochmals ausführlich die Strecke beschrieben. Das Wetter sollte ganz angenehm werden –leichter Wind, kein Regen bei etwa 16-20° Luft- und 15-18° Wassertemperatur. Schwedischer Spätsommer eben.
Nach einem Ausrüstungs- check (SwimRun-Neo, Schuhe, Paddles, Pullbuoy, Strümpfe, Notfallverband, Gels, Softbecher, Trillerpfeife) und einem ausgiebigen Abendessen (Pasta!!!!) ging es früh ins Bett.
Der Wettkampftag begann bereits mit dem Wecken um 3:45 Uhr. Nach einem kleinen Frühstück (Kaffee – ja! Porridge – krieg ich so früh nicht runter) ging es um 4:45 Uhr zum Einschiffen auf die Fähre.
Pünktlich um 6:00 Uhr fiel der Startschuss in Sandhamn und nach kurzen 1 km Einlaufen stürzten sich die insgesamt 160 Teams in die graue, wellige Ostsee.
Die erste Schwimmstrecke war dann gleich auch die längste mit 1,7 km und es war gar nicht so leicht das Ziel (ein Stroboskop-Licht) und den Teampartner im Blick zu behalten. Während des Rennens darf man sich nie mehr als 10 m vom Partner entfernen und da wir (mangels ordentlicher Vorbereitung) auf eine Leine zwischen uns verzichteten, mussten wir uns hier beim ersten Schwimmen erstmal sortieren.
Das Wasser war kalt (!) und spätestens nach der Hälfte der Strecke merkte ich schon, dass meine Schwimmperformance an diesem Tag nicht ganz so gut war. (Wir sollten im Training längere Strecken mit Paddles trainieren!)
Das erste Laufen (wenn man es so nennen will) war dann auch eine Überraschung für uns beide. Es was mehr Schlittern und Balancieren über die vom Regen noch feuchten Felsen (ich hatte nach den ersten zwei Laufkilometern schon mehrere Stürze hinter mir mit blauen Flecken und blutenden Abschürfungen) mit abwechselnden Klettern über und Ducken unter rumliegenden Bäumen.
Auf der ersten größeren Insel Runmarö (nach ca. 8 km) wurde es z.T. etwas einfacher zu laufen, aber insgesamt waren die Laufabschnitte technisch sehr herausfordernd. Auf den späteren Inseln kam als weiteres Problem hinzu, das einem hier oftmals die „Vorrausläufer“ fehlten, sodass man sich selber orientieren musste. Der offizielle Weg war nur mit bunten Plastikfähnchen in den Bäumen markiert, aber die muss man erstmal erspähen…Weiter ging es über kleinere und größere Inseln wie Mörto. Hin und wieder sah man ein paar typische schwedische Häuschen in Rot und Weiß. Noch seltener erblickte man ein paar freundliche Zuschauer.
Nach etwa der Hälfte des Rennens kamen kurz hintereinander das „Pigswim“ mit 1,4 km und dann gleich nochmal 1 km Schwimmen. Das Wasser war kalt (!) und nach diesen beiden Abschnitten wollte mein Körper einfach nicht mehr warm werden. Zum Glück hatte die nächste Verpflegungsstation ein Rezept dagegen – sie gossen warmes Wasser vorn und hinten in meinen Neo und bald darauf konnte es weitergehen. Die Stunden vergingen, die Sonne schien mittlerweile, aber der Wind hatte aufgefrischt. Der letzte lange Laufabschnitt auf Ornö (ca. 20 km) brachte uns beide schließlich an unsere Grenze. Die Muskeln schmerzten, die Knie ebenfalls, mir war wieder kalt und meine Energie war langsam am Ende. Glücklicherweise ist man aber als Team unterwegs, sodass diese Tiefpunkte mit der Hilfe des Partners überwunden werden. Wir legten immer öfter eine Laufpause ein, aber waren gleichzeitig weit vor den Cut-Off Zeiten.
Die letzten Inseln lagen vor uns im schönsten Sonnenschein.
Die Ostsee hingegen war nachmittags viel rauer als noch am Morgen, sodass es ein ganz schöner Kampf wurde, beim Schwimmen auf dem richtigen Kurs zu bleiben.
Das Wasser war immer noch kalt (!), aber zum Glück waren die Schwimmstrecken nur noch zwischen 20 m und 400 m lang. Die Inselchen waren wieder sehr schwierig zu überqueren, so dass wir auf Laufen verzichteten, sondern es eher ein strammer Spaziergang war.
Endlich erreichten wir die Insel Utö und nach den letzten 3 km zwangen wir uns noch zu einem Zieleinlauf. Dort bekamen wir die verdiente Umarmung vom Race-Director Michael Lemmel. 12:29h!
Weit weg von der Spitze und auch weit nach der geplanten Zielzeit, aber dieses Rennen war ganz anders als gedacht und auch viel schwieriger als die anderen weltweiten ÖTILLÖ Rennen. Ich war trotzdem glücklich! Wir genossen das Freibier (leider bald leer, müssen wir nächstes Mal schneller im Ziel sein) und das üppige Finisher-Grill-Menü. Der nächste Tag war die Hölle…
Erkenntnisse: