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Bodensee-Dreiländerquerung 2015

Bericht von Ulrich Vormbrock über das 35 km lange Schwimmen durch den Bodensee

 

Wie alles begann

Im Januar 2015 kontaktierte mich Oliver Halder und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, die Bodensee-Dreiländerquerung zu schwimmen. Ein Bewerber war abgesprungen, so dass wieder ein Zeitfenster zur Verfügung stand. Ich hatte im Jahr davor bereits die 12 km lange Breitenquerung erfolgreich hinter mich gebracht und Oliver hinterher gefragt, ob er als „alter Hase“ mir die 35 km Dreiländerquerung zutrauen würde. Er meinte, mit viel Training wäre dies sicherlich machbar …

Oliver Halder ist Veranstalter von bodenseequerung.de und organisiert sämtliche Schwimm-Veranstaltungen im Bodensee: Breitenquerung, Längsquerung sowie die Dreiländerquerung. Hierbei handelt es sich meist um sog. Solo-Swims: man meldet sich für eine Querung an, stimmt mit Oliver ein Zeitfenster ab und kümmert sich anschließend um Skipper und Begleitboot. Oliver selbst fungiert als Observer auf dem Begleitboot und achtet darauf, dass die Schwimm-Regeln eingehalten werden – dazu gehören u.a. das Nicht-Berühren des Begleitboots während des Schwimmens oder auch das Vermeiden von Wasserschatten-Schwimmen, sofern man streckenweise von einem Mit-Schwimmer („fellow swimmer“ – übrigens oftmals üblich beim Schwimmen im Ärmelkanal) begleitet wird.

Vorbereitung

Mein großes Schwimmen war für Mitte August angesetzt – insofern hatte ich sieben Monate Zeit, um mich darauf vorzubereiten. Es war beruhigend, dass es noch so lange bis zum Big Day hin war. Ich schwamm – meist im Münchener Dantebad – mein übliches Programm – in der Regel Einheiten von 4-5 km.

Im Sommer wurde es allerdings ernst – ich musste zusehen, dass ich mein Pensum erhöhte! Im Vorjahr schwammen bereits Miriam Schall und Sabine Croci dieselbe Dreiländerquerung – und auf Facebook bekam ich mit, dass beide Athletinnen teilweise bis zu 60 km pro Woche geschwommen waren! Für mich war es fast schon unrealistisch, in einer Woche so viele Kilometer herunterzureißen – auch wenn ich in der Freiwasser-Saison gerne immer wieder 10-km-Schwimmeinheiten absolviere. Ich schwimme halt in freien Gewässern lieber als im Chlor-Tümpel – dennoch konnte ich mir nicht vorstellen, auf 50 oder 60 Schwimm-Kilometer pro Woche zu kommen. Hinzu kam, dass ich mich im Jahr 2015 beruflich veränderte und mit App-Programmierung versuchte, mein Geld zu verdienen. Dies schlug allerdings fehl – mit meinen Apps im AppStore konnte ich nicht überleben und war daher insgesamt eher demotiviert: ich wußte im Sommer 2015 noch nicht, dass ich zum Jahresende eine neue Festanstellung bekommen würde. Dementsprechend war ich eher schlecht drauf und schaffte pro Woche maximal 20 Schwimmkilometer.

Anfang August fand das 10 km lange Hallstätter-See-Schwimmen in Österreich statt – ich war bereits im Vorjahr dort angetreten und hatte die Strecke mit genau 3 Stunden gefinished. Dieses Mal sollte das Event als zusätzliche Vorbereitung für die Dreiländerquerung dienen – ich fuhr nach Österreich, aber fühlte mich körperlich ausgelaugt. Rainer, mein Vereinskollege, der mit mir zum Wettkampf fuhr, sagte mir „du hast echt Substanz abgebaut – du schwimmst dieses Mal niemals 10 km!„. Recht hatte er – auch wenn man sich niemals von anderen ins Bockshorn jagen lassen sollte – aber ich war körperlich ausgepowert, mein Immunsystem war angeschlagen, und am Wettkampf-Tag spürte ich, dass eine Erkältung im Anmarsch war. Also verzichtete ich auf den Wettkampf und fuhr unverrichteter Dinge wieder nach München. Ich fragte mich nur „wie soll ich jemals im Leben die 35 km schwimmen, wenn ich schon bei 10 km kapituliere!„.

Kurz vor dem Big Day

Ich telefonierte mit Oliver Halder und vereinbarte den 13. August 2015 als Schwimm-Termin. Es herrschte gerade eine Hitze-Periode, und für den 13. August waren Temperaturen bis 32 Grad angekündigt. Die Wassertemperatur des Bodensees betrug zwischen 25 und 26 Grad. Ich wollte ursprünglich die Strecke mit Neoprenanzug schwimmen – aber in Anbetracht dieser Temperaturen erschien mir dies als weniger sinnvoll. Allerdings machte ich mir Sorgen: zum einen hatte ich im Grunde genommen viel zu wenig trainiert, zum anderen würde der Geschwindigkeits-Vorteil (der ein Neo bietet, da man aufgrund des Auftriebs eine bessere Wasserlage hat) wegfallen. Als Plan B hatte ich folgende Idee, die ich auch Oliver Halder kommunizierte: ich schwimme von Lindau die 15 km rüber nach Rorschach, und falls dort nichts mehr geht, habe ich wenigstens ohne Neo eine Breitenquerung hingelegt. Oliver fand die Idee ok und meinte „dann schippern wir hinterher noch ein bißchen über den Bodensee und genießen die Landschaft„. Er fügte hinzu, dass von allen Querungen die Dreiländerquerung landschaftlich am schönsten sei: man kommt am Rheinzufluss vorbei und hat einen wunderschönen Blick auf den Pfänder.

Da ich noch jemanden benötigte, der mir bei den Verpflegungspausen zur Seite stehen und mich während meines Schwimmens filmen und fotografieren würde, postete ich folgende Anfrage in unsere geschlossene Exathlon Facebook-Gruppe

Daraufhin meldete sich Philipp und erkläre sich bereit, mich nicht nur bei der Dreiländerquerung vom Begleitboot aus zu unterstützen, sondern mich auch mit dem Auto von München nach Lindau und wieder zurück zu fahren! Was für ein Geschenk! Wir trafen uns einen Tag vor dem Schwimmen in München, fuhren erst zum Supermarkt und kauften jede Menge Getränke, Obst und Süßigkeiten. Dann ging es nach Lindau zu der Bootsvermietung, welche Skipper und Begleitboot stellte. Wir übernachteten auf dem Begleitboot, denn wir sollten am nächsten Morgen bereits um 5h aufbrechen. Insofern sparten wir uns den Weg von einem Hotel zum Anlegesteg.

 

Die Nacht vor der Dreiländerquerung schlief ich eher schlecht: zu groß war die Aufregung, und außerdem schaukelte das Boot etwas, was für mich ungewöhnlich war. Morgens um 4h stand Philipp auf und war auf einmal weg – später erfuhr ich, dass er mit dem Auto kurz zu einem Imbiss gefahren war und sich mit Unmengen von Burgern eindeckte.

Der Big Day

So gegen 5h morgens bewegte ich mich von der Horizontalen zur Vertikalen – mir war leicht schwindelig, ich hatte schlecht geschlafen und war zudem sehr aufgeregt. Außerdem hatte ich mir den Kopf darüber zerbrochen, ob ich jetzt nun mit oder Neo schwimmen sollte. Ohne Neo zu schwimmen erschien mir wegen der extrem langen Distanz eher aussichtslos. Kurz nach 5h kam auch mein Observer Oliver Halder mit seinem SUV aus Stuttgart angerauscht. Wir begrüßten uns – und ich machte ihn mit meinem Vereinskollegen Philipp bekannt. Wie sich später herausstellte, ging Oliver davon aus, dass Philipp mein Lebenspartner (und nicht „nur“ Vereinskollege) sei. Ein Jahr später fiel nämlich Oliver aus allen Wolken, als Philipp mit Mirjam Schall (die ja ein Jahr vorher die Dreiländerquerung geschwommen war) zusammenkam. Tja – so klein ist die Welt der Extremschwimmer 🙂

Wir fuhren dann in der Dunkelheit mit dem Begleitboot zum Lindauer Pulverturm, von dem aus ich starten sollte. Dort angekommen, wurde es langsam hell. Und ich war nach wie vor unentschlossen, ob ich mit Neo schwimmen sollte oder nicht. Also sprang ich kurz ins Wasser und machte den Test: mit ca. 25 Grad war das Wasser wärmer als die Außentemperatur – und somit wagte ich den für mich mutigen Schritt, mein Abenteuer ohne Neo anzugehen. Ich ging wieder auf’s Boot und bekam von Oliver Halder ein Briefing: er wies ausdrücklich darauf hin, dass ich – sofern ich am Zielort Bregenz aus dem Wasser steigen würde – mir von niemandem aufhelfen lassen dürfe – anderseits würde mein Schwimmen für ungültig erklärt! Diese Botschaft beherzigte ich sehr – wie sich später noch herausstellen wird, hat Oliver dies nicht umsonst gesagt!

Ich schwamm ans Ufer zu einer Festung, stellte mich auf eine Steinplatte und hob den rechten Arm – damit signalisierte ich meine Bereitschaft für mein Schwimmen. Es war genau 6 Uhr 4 Minuten – jetzt ertönte die Sirene vom Begleitboot – und ich stürzte mich ins Wasser und schwamm los. Ich spürte inneren Frieden und genoß die quasi endlose Freiheit im Schwäbischen Meer. Die Sonne ging auf, und der See zeigte kaum Wellen. Es war einfach romantisch, bei Sonnenaufgang zu schwimmen!

Der Flow stellte sich sehr schnell ein – und anfangs schwamm ich schneller als 3 km/h. Mit Philipp hatte ich vereinbart, alle 20 Minuten eine kurze Trinkpause und alle 60 Minuten eine größere Verpflegungspause einzulegen. Mit Verpflegungspause meine ich eine halbe Banane, ein Müsliriegel oder auch eine Brezel – also kein 4-Gänge-Menü, sondern eine kurze Stärkung, die nicht länger als eine Minute dauern sollte. Bei einem SwimTrek Boot Camp auf Mallorca zwei Jahre zuvor lernte ich einmal folgendes: „a feeding is a feeding and not a rest“ – und genau das beherzigte ich während meines gesamten Schwimmens.

Ich schwamm zielstrebig die 15 km dem Schweizerischen Ort Rorschach entgegen – dabei wurde die See immer kabbeliger, was das Schwimmen etwas erschwerte. Da ich stets zur linken Seite atmete, konnte ich sehr schön Bregenz und den Pfänder sehen – das Voralpen-Panorama war einzigartig und schön! Hinter Bregenz wurde der See sehr flach, ich konnte Sandbänke unter mir erkennen – und ich hatte stellenweise das Gefühl, dass ich hätte im Wasser stehen können. Aber dies auszutesten lag mir fern – denn sonst wäre ich sofort disqualifiziert worden – selbiges galt übrigens auch für das Berühren des Begleitboots!

  

Zwischendurch fuhren wir an Jachten vorbei – Leute saßen dort, genossen die Aussicht und machten sogar Photos von uns! Was mag wohl in den Köpfen der Reichen und Genießer vor sich gegangen sein? Bewunderung? Staunen? Mitleid oder Unverständnis? Mir was das egal, denn ich war so dermaßen in meinem Flow, dass mir Geschehnisse von außen gleichgültig waren. Ich erfüllte mir meinen Lebenstraum – und nur das zählte für mich in diesem Augenblick!

  

Rorschach – lange Zeit gefühlt unerreichbar – kam schlussendlich näher und näher. Das hügelige Hinterland mit den vielen hellgrünen Wiesen erinnerten mich sehr stark an die Landschaft rund um den Zürisee – ich hatte ja einige Jahre zuvor drei Jahre lang in Zürich gelebt – und plötzlich wurden diese Erinnerungen wieder wach: welcome back to Switzerland!

Nach knapp unter 6 Stunden erreichten wir endlich Rorschach. Es war Mittagszeit – und die Sonne brannte erbarmungslos! Bevor ich an Land ging, warf mir Philipp meine wasserfeste Sonnencrème zu, welche ich unter meiner Badehose verstaute. Ich schwamm zu der „berühmten“ Treppe, welche ich bereits aus Facebook-Posts von meinen beiden Vorschwimmerinnen kannte.

 

Ich hatte Mühe, aus dem Wasser zu kommen: zum einen waren die Steinplatten rutschig, zum anderen war das Treppengeländer lose. Oben angekommen, winkte ich erstmal dem ca. 100m entfernten Begleitboot zu und schmierte dann meinen Körper mit der wasserfesten Sonnencrème ein. Es war Mittagszeit, und es war wenig los: links hinter mir befand sich ein modernes Firmengebäude, und wenige Angestellte spazierten durch den Park hinter mir. Zu meiner rechten Seite war ein Badi (Seebad) mit Charme aus den fünfziger Jahren – dort sah ich nur einen älteren Herren lustlos seine Runden drehen. Es herrschte eine eher triste Stimmung in gleißender Mittagshitze. Mich überkam ein Gefühl der Einsamkeit – eine Einsamkeit, welche ich auch drei Jahre lang während meiner Zeit in Zürich empfunden hatte. Wie in einem Zeitraffer kamen alte Emotionen und Erinnerungen empor! Nur gut, dass mein Landgang auf 5 Minuten beschränkt war – noch bevor die Sirene zum Pausenende ertönte, begab ich mich wieder ins Wasser, schwamm zurück zum Begleitboot und warf Philipp meine Sonnencrème wieder zu. Wenige Tage später meinte Philipp zu mir, dass meine Lippen gezittert hätten – sicherlich ein Zeichen von Erschöpfung!?

An die äußersten Grenzen gehen

Ich schwamm an dem Badi vorbei und dann Richtung Bregenz. Dabei überschritt ich nicht nur Staatsgrenzen, sondern auch meine eigene Schmerzgrenze! Kurz nach Rorschach fing meine linke Schulter an zu schmerzen, so dass ich bei einigen Pausenstopps Ibuprofen einnahm. Aber dies half nicht wirklich – die Schmerzen wurden immer stärker! Hinzu kam Müdigkeit sowie Kopfschmerzen wegen der Hitze. Ich war nur froh, dass ich ohne Neo schwamm – mit Neo hätte ich sicherlich einen Hitze-Koller bekommen! Obgleich ich von Natur aus eher eine Frostbeule bin, empfand ich das Wasser mit fast 26 Grad schon zu warm!

Im Grunde genommen hatte ich ja mein Ziel, wenigstens ohne Neo bis nach Rorschach zu schwimmen, erreicht. Das war für mich schon mein sog. „Personal Best“ – ich hätte also das Schwimmen abbrechen und an Bord gehen können! Man sagt ja, dass des Teufels liebstes Möbelstück die lange Bank ist – aber in meinem Fall erwies sich die lange Bank als Segen: ich verschob meine Entscheidung (so nach dem Motto: weiterschwimmen oder aussteigen) von Pause zu Pause. Ich sagte mir: „die zwanzig Minuten bis zur nächsten Pause schaffst du noch – danach schauen wir weiter!„. Philipp meinte wenige Wochen später bei unserem Vereins-Stammtisch: „wir hätten dich niemals an Bord gelassen – die Leiter wäre oben geblieben!„. Ich selber behalf mir mit einer Mental-Technik: trotz Erschöpfung so zu tun, wie ein Top-Athlet elegant durchs Wasser zu gleiten! Dies half ein wenig – auch wenn mein Schwimmen sicherlich nicht mühelos und elegant wirkte.

Oliver Halder schaute inzwischen etwas genervt und gelangweilt – und später berichtete mir Philipp, dass Oliver und der Skipper einstimmig der Meinung waren, dass ich die Dreiländerquerung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht schaffen würde! Philipp hingegen schaute die gesamte Zeit über sehr wohlwollend, was mich motivierte und mir Mut und Trost spendete. Auch erinnerte ich mich an die Worte von Kevin Murphy („the King of the English Channel“), der uns auf einem Schwimm-Camp sagte: „auch wenn du erschöpft bist und du frierst – was hindert dich daran, einen Armzug nach dem anderen zu tätigen? Dieses Spiel machst du solange, bis du schlussendlich in Frankreich angekommen bist!„. Da sagte ich mir, dass ich es im Vergleich zu den Ärmelkanal-Schwimmern noch sehr gut hatte: zwar war ich müde und erschöpft, aber ich musste weder frieren, noch gegen hohe Wellen und Brandung ankämpfen!

  

Nach ca. 28 km kam endlich der Rheinzufluss – vom Süden kommend sah ich schon über zwei Stunden vorher die hohe Zement-Mauer, die partout nicht näher kommen wollte. Jetzt endlich war es soweit, und ich rechnete mit Treibholz und eiskaltem Wasser. Aber nichts Gravierendes geschah – stattdessen spürte ich eine leichte Seitwärts-Strömung und kühleres Rhein-Wasser, welches ich wegen der Hitze als sehr wohltuend empfand. Jetzt war ein wichtiger Meilenstein erreicht, und meine Motivation stieg wieder an.

Philipp war sehr engagiert: nicht nur, dass er mir meine Getränke zurecht mixte und mich photographierte und filmte. Nein, er führte sogar ein Log-Buch über meine Verpflegungen und protokollierte meine Armzug-Frequenz, welche übrigens während der gesamten 35 km nahezu konstant blieb, auch wenn ich gegen Ende von der Geschwindigkeit stark abfiel.

Philipp schrieb in regelmäßigen Abständen einen Lagebericht in unsere Exathlon-Facebookgruppe – ich habe mich nach dem Schwimmen sehr gefreut, die Kommentare der Vereins-Mitlgieder zu lesen. Am meisten schmunzeln musste ich über den Kommentar von Danny: „tell him the freche Frog that he can do!“

Licht am Ende des Tunnels

Auch Oliver Halder versorgte immer wieder die Facebook-Community mit Echtzeit-Berichten – seine Laune verbesserte sich stark, als ich die 30 km Marke geknackt hatte – jetzt erschien mein Finish doch wieder wahrscheinlich.

              

Ich schwamm auf Bregenz zu und sah im Hintergrund den Pfänder und die Gebirgskette. Von weitem her wirkte Bregenz sehr idyllisch und beschützt durch das Mittelgebirge. Aber irgendwie wollte Bregenz nicht näher kommen. Ich schwamm und schwamm und hoffte, dass ich bald endlich das Ufer erreichen würde! Hinter mir ging die Sonne unter – aber den romantischen Sonnenuntergang konnte ich erst später auf den Fotos bewundern – zu fokussiert war ich auf mein Ziel.

Da ich ja stets zur linken Seite hin atmete, bemerkte ich nicht die beiden Standup-Paddler, die mich auf meiner rechten Seite gen Ziel eskortierten. Jetzt waren es nur noch wenige hundert Meter bis zum Ufer. Ich begegnete den Badegästen, die im See nach Abkühlung suchten oder ihre Feierabend-Runden schwammen. Jetzt war die Dreiländerquerung fast geschafft!

Mein Finish

Oliver wies mich an, zu den Steinplatten zu schwimmen und beim Aufrichten acht zu geben, dass ich nicht ausrutschte. Als ich die rutschigen Steinplatten erreichte, ging ich zunächst auf allen Vieren: zu wackelig fühlte ich mich auf den Beinen! Ein Standup-Paddler, der inzwischen an Land gegangen war, wollte mir die Hand geben, mir aufhelfen und mir gratulieren. Aber da fielen mir die Worte von Oliver (beim Briefing) ein, und ich ignorierte den Wohltäter. Ich richtete mich auf, ging einige Schritte nach vorne – und erst als ich sicheren Fußes auf trockenen Steinplatten stand, ließ ich den Standup-Paddler an mich heran. Die Boots-Sirene ertönte als Zeichen meiner erfolgreich bestandenen Bodensee-Dreiländerquerung, die Strandgäste applaudierten, und der Standup-Paddler gab mir die Hand und gratulierte mir sehr herzlich! Er war außer sich vor Begeisterung, dass jemand solch eine Strecke schwimmend bewältigt hatte. Für die gesamte Strecke hatte ich 14 Stunden und 16 Minuten gebraucht.

Kurz darauf kam Philipp – er schwamm vom Begleitboot zum Strand und überreichte mir zwecks Stärkung einen Schokoriegel. Ich genoß noch eine kurze Weile das Gefühl, ein kleiner Star zu sein. Dann schwammen Philipp und ich zurück zum Begleitboot. Der Skipper und Oliver gratulierten mir, aber der Skipper wirkte etwas genervt – logisch: er musste 14 Stunden lang ausharren und mit höchster Konzentration sein Boot manövrieren. Kein Wunder, dass er so schnell wie möglich nach Hause wollte: er rief mir zu „bitte gut festhalten!“ – und dann ging es mit voll Speed zurück nach Lindau.

Kaum war ich mit dem Schwimmen fertig, traten die Schulterschmerzen noch stärker hervor – ich begab mich in eine Schonhaltung und hatte Mühe, mir meine Jacke anzuziehen.

In Lindau tranken wir noch ein Bierchen auf dem Ponton des Bootsverleihs, aßen eine Kleinigkeit und ließen das Ereignis Revue passieren. Dann fuhr mich Philipp wieder nach München – und ich war ihm unendlich dankbar, dass er mich bis nach Hause fuhr und mir half, sämtliches Gepäck und übriggebliebene Plastikflaschen in meine Wohnung zu transportieren! Ich hatte so starke Schulterschmerzen, dass ich kaum etwas tragen konnte! Obwohl ich sehr müde und erschöpft war, konnte ich die Nacht über kaum schlafen: egal wie ich mich platzierte – ständig meldete sich meine linke Schulter. Erst wenige Wochen später konnte ich einigermaßen wieder schwimmen – und beim nächsten Wettkampf beim Rottachsee-Schwimmen nahm ich nur die 5 statt die 10 km Volldistanz in Angriff.

Meine Bodensee-Dreiländerquerung war mein schönstes und zugleich schmerzhafteste Schwimm-Abenteuer – auch heute nach über zwei Jahren zehre ich davon – vor allem beim Schreiben dieses Blog-Artikels, wo alle Erinnerungen wieder wach werden! Mein Solo-Swim hatte außerdem etwas Exklusives – ganz anders als bei den Massen-Schwimmveranstaltungen. Eine ganze Crew kümmert sich um einen – und man kann selber die Geschwindigkeit sowie die Pausen-Häufigkeit vorgeben. Ich wünsche jedem Schwimm-Begeisterten, dass auch er/sie in den Genuss eines ganz besonderen Schwimm-Abenteuers kommt – egal ob es „nur“ 4 km, 10 km oder über 30 km sind – vieles auf der Welt ist vergänglich – Reichtum kann einem geschenkt und wieder genommen werden – aber die Erinnerung an solch ein Schwimmen bleibt bis zum Lebensende bestehen!

Mein herzliches Dankeschön gilt Oliver Halder, dem Skipper und vor allem Philipp – ohne meinem Begleit-Team wäre solch ein Schwimmen niemals möglich gewesen! Alle drei haben während der 14 Stunden Unglaubliches geleistet!

Abschließend noch ein Video von meiner Bodensee-Dreiländerquerung: