Am 15.10.2017 habe ich zusammen mit meinem siamesischen Schwimm-Zwilling Uli aka Rookie aka Ulrich Vormbrock beim Oceanman in Benidorm teilgenommen.
Benidorm gilt als hässlichster Badeort Spaniens und wenn man sich die alten und leider auch neuen Bausünden anschaut, ist man erst mal geschockt. Allerdings gibt es auch eine schöne Altstadt und ruhige Ecken abseits des Massentourismus. Unser Hotel (El Palmeral) war zum Glück nicht so ein großer Bunker, sondern gemütlich und familiär und in zweiter Reihe, d.h. nah zum Strand. Nach unserer Ankunft am Donnerstag Nachmittag haben wir natürlich als Erstes ein Testschwimmen im Meer gemacht. Das Wasser war toll und ich habe mich sehr darüber gefreut, endlich wieder im Meer zu schwimmen! Die Insel vor der Küste ist hier der erste Blickfang. Um diese Insel muss man bei der Langstrecke des Oceanman schwimmen, was eine Gesamtstrecke von 9,3 km ausmacht. Uns kam die Insel sehr weit vor und da war uns doch schon etwas mulmig zumute.
Am Freitag haben wir uns den Startbereich des Oceanman angesehen und sind danach wieder etwas geschwommen. Das Wetter war insgesamt sehr schön. Wir hatten bis 25 Grad Lufttemperatur und die Wassertemperatur lag bei ca. 20-22 Grad. Die sollte auch die ganze Zeit so bleiben. An diesem Tag war nur das Meer etwas unruhiger, was das Trainingsschwimmen etwas erschwert hat. Außerdem haben wir eine Qualle gesehen, die aber zum Glück nicht an der Oberfläche war. Mit der Insel im Blick und dem bevorstehenden Wettkampf waren wir weiterhin etwas angespannt.
Auch am Samstag haben wir trainiert, eine lange Siesta gemacht und am Nachmittag unsere Startunterlagen abgeholt. Ich habe Uli außerdem noch beim Kauf einer neuen sexy Badehose beraten . Danach stand das Technical Briefing an, welches in einem besonders hässlichen Teil von Benidorm stattgefunden hat. Da ist der Hasenbergl in München ein Villenviertel dagegen!
Das Technical Briefing war nicht besonders ergiebig, denn es wurden nur die gleichen Informationen gegeben, die schon im Racebook waren. Interessant war dann nur noch die Info zu den aktuellen Wetterverhältnissen auf der Strecke bezüglich Strömung und Wellengang. Über Quallen wurde nichts gesagt, ist ja auch völlig unwichtig .
Später waren wir noch mit einem anderen Mitschwimmer, Angel Prado, beim Carboloading in einer Pizzeria. Angel ist dann am nächsten Tag eine Super-Zeit geschwommen und hat auch einen schönen Bericht in der Facebook-Gruppe „Marathon Swimming“ gepostet.
Raceday
Der Tag fing sehr früh an. Wir mussten um 6 Uhr aufstehen und wollten um 7 Uhr vor Ort sein. Im Startbereich angekommen, spürte man schon die angespannt hektische Wettkampfatmosphäre und es war noch stockdunkel. Es wurde auch erst um 8 Uhr zum ersten Start hell. Daher ist es ein etwas seltsames Gefühl, im Dunkeln Sonnencreme aufzutragen, aber die wird später noch notwendig sein. Das muss immer unbedingt auf die gedankliche Checkliste der Startvorbereitungen, genau wie Kappe aufsetzen, Brille anlegen und Vaseline auftragen (in dieser Reihenfolge!!!). Wie immer war das der Punkt, an dem ich mich frage: „Wieso tu ich mir das an?“
Es gab 3 Startgruppen: Elite, World Championchip of Age Groups und Open Race. Die Elite musste ohne Neopren schwimmen und für alle anderen war es optional. Daher haben ca. 90% aller Teilnehmer einen Neoprenanzug getragen, ich natürlich nicht . Als Pflichtausrüstung musste jeder Schwimmer eine Boje mitführen.
Um 8:10 Uhr startete das Open Race und ich habe mich bewusst hinten eingereiht, damit ich dem Startgerangel aus dem Weg gehen kann. Die Strecke sah auf der Karte eigentlich sehr einfach aus, geradeaus zur Insel, um die Insel herum und gerade wieder zurück. Aber so einfach war es dann doch nicht. Die Orientierung war zunächst noch gut, da immer zumindest die Bojen der anderen Schwimmer zu sehen waren. Je weiter es auf das Meer hinausging, wurden die Wellen höher und ich musste darauf warten, auf dem Wellenberg zu sein, um mich zu orientieren. Außerdem wurde ich durch die Strömung abgedriftet und wurde zweimal von einem der Begleitboote in die richtige Richtung gelenkt. Das hat mich schon ganz schön angenervt, da ich damit ja einen Umweg geschwommen bin. Bei jedem Blick zur Orientierung hatte ich außerdem das Gefühl, dass die Insel kein Stück näher kommt. Dann sah ich vereinzelte Quallen in ca. 2 Meter Tiefe. Das war ja noch ok, aber ich habe daraufhin verstärkt unter Wasser nach vorne geschaut. Das war auch gut, denn tatsächlich wurden die Quallen mehr und waren auch an der Wasseroberfläche. Ich habe einige Male Haken geschlagen und wild mit den Armen gerudert, um keine Qualle zu berühren. Das muss von außen ziemlich lustig ausgesehen haben . Aber ich musste mich hier sehr konzentrieren und es war sehr anstrengend. Ich habe es aber geschafft, ohne Quallenberührung zu bleiben. Uli hatte nicht so viel Glück und hat sich leider einen Quallenstich am Hals eingefangen.
Irgendwann war ich dann doch endlich in der Nähe der Insel und freute mich schon auf die Verpflegungsstation, da ich aufgrund der Wellen schon viel Salzwasser geschluckt habe und mal richtiges Wasser trinken wollte. Die Verpflegungsstelle sollte laut Veranstalter bei KM 3 und KM 6,6 sein. Ich schwimme also einer Gruppe von Schwimmern hinterher, die plötzlich von einer Frau auf einem Kayak gestoppt wurden. Diese zeigte in eine andere Richtung und alle setzen sich in Bewegung. Als ich dort ankam, sagte mir die Dame, dass ich von der Strecke abgekommen bin und noch einmal um eine Boje schwimmen musste. Ich fragte dann, wo die Verpflegungsstation sei, aber die Dame wusste es nicht. Das war vermutlich ein sprachliches Verständigungsproblem. Ich bin dann hinter den anderen hintergeschwommen und wurde nun außen um die Insel herumgeführt. Da wurde mir bewusst, dass ich jetzt wohl die Verpflegungsstation verpasst hatte . Die nächste war erst 3,3km weiter. Ich habe mich dann an die Trainingseinheiten beim Channel Training in Dover erinnert, bei denen ich u.a. Schwimmen über 4 Stunden gemacht habe, davon 3 Stunden ohne Verpflegung. D.h. ich wusste, dass ich damit klar komme, auch wenn es nicht gerade die schönste Erfahrung ist. Ich schwamm also weiter und auf der Rückseite der Insel wurde das Meer deutlich rauher und ich musste hier gegen die Wellen ankämpfen. Gleichzeitig waren jetzt auch die Schwimmer des Half-Oceanman auf der Strecke, die an der Insel gestartet sind. Aber Ihr lieben Mitschwimmer: Es ist für mich vollkommen ok, dass Ihr mich überholt, aber Ihr müsst nicht von hinten aufschwimmen . Nach zwei Wendebojen war ich dann endlich wieder auf der anderen Seite der Insel angekommen und habe hier diesmal sehr genau auf die Verpflegungsstation geachtet. Ich sah vor mir einige Leute zu einem Boot schwimmen und folgte hoffnungsfroh. Und endlich die Erlösung, das Verpflegungsboot. Vom Boot wurden dann ganze Wasserflaschen und ganze! Bananen geworfen. Ich fischte beides auf und musste erstmal überlegen, wie ich das jetzt mache. Erst die Banane unter den Arm klemmen, mit beiden Händen die Wasserflasche öffnen, trinken, dann das gleiche umgekehrt. Das Meer war hier sehr unruhig, so dass es schwierig war, hier mit der Banane und der Wasserflasche zu hantieren. Außerdem wollte ich keinen Müll im Meer hinterlassen und habe dann die Reste wieder in den bereitgehaltenen Kescher geworfen.
Ich sah auch, dass auf dem Boot einige Leute im Neoprenanzug saßen. Ob sie Pause machten oder aufgegeben hatten?
Ich habe dann einen kurzen Blick auf die Uhr riskiert, die sagt, dass ich 2:30h unterwegs war. Ich rechnete also für den Restweg mit ca. 1 Stunde, in der Hoffnung, dass mich die Strömung in Richtung Küste schiebt. Wie falsch ich doch lag! Zunächst war ich also guter Laune und bin den anderen Schwimmern gefolgt. Mit Wohlwollen habe ich außerdem festgestellt, dass ich doch noch einige Schwimmer aus meinem Rennen (erkennbar an der Badekappe) überholt habe, so dass ich zumindest nicht als Letzte im Ziel sein werde. Es kamen eine große zylindrische Streckenboje in Sicht und noch eine, und noch eine…. Der Rückweg hat sich gefühlt unendlich gezogen. Der Blick nach vorne Richtung Küste zeigt nur eine Unmenge an Hochhäusern, aber keinen markanten Hinweis, dass ich dem Ziel näher komme. Und noch eine Boje und noch eine…das darf doch nicht wahr sein . Die Arme taten weh und ich hatte keine Lust mehr. Dann endlich, zunächst kaum wahrnehmbar, zeichneten sich die Konturen des Felsens ab, neben dem sich der Zielbereich befand. Und immer wieder Bojen und kein Ende in Sicht. Irgendwann waren dann Stimmen und Musik zu hören. Die Strecke machte dann noch einen Knick um einen Felsen herum und dann war auch endlich der Zielbogen zu sehen. Und selbst der Teil der Strecke zog sich noch ewig. Unter mir wurde der Boden flacher und sandig. Ich bin solange geschwommen wie ich konnte, dann folgte der unwürdigste Teil eines jeden Freiwasserschwimmens: Möglichst elegant aus der horizontalen Lage aufstehen, was meistens nicht gelingt und eher wie das Torkeln eines Betrunkenen aussieht . Mit vorsichtigen Schritten bin ich über die Ziellinie und war unendlich froh, dass ich es geschafft habe. Mir wurde die Finisher-Medaille umgehängt und der Chip abgenommen (zum Glück, denn ich hätte mich nicht bücken können). Im Verpflegungsbereich war ein richtig großes Buffet aufgebaut. Allerdings kann ich nach einer solchen Anstrengung erst mal nichts essen, sondern habe nur Iso und Cola getrunken. Danach habe ich meinen Rucksack aus der Gepäckaufbewahrung abgeholt und bin zu meiner großen Freude gleich Uli begegnet, der schon seit ca. einer Stunde im Ziel war. Wir haben uns umarmt und so gefreut . Mit Mühe habe ich mich dann umgezogen und wir sind an der Strandpromenade zurück zum Hotel gelaufen. Auf dem Weg haben wir uns über unsere Erfahrungen ausgetauscht und uns immer wieder gedrückt. Ich war beruhigt, dass Uli dieses Event als schnellerer Schwimmer auch so hart empfunden hat. Bis zum Hotel waren es ca. 2 km, aber beim Laufen sind wir so schön runtergekommen. Das war so ähnlich wie Ausschwimmen .
Wir konnten es kaum glauben, dass wir wirklich zur Insel hin und zurück geschwommen sind. Da es uns beiden dabei so schlecht ging, haben wir die Insel „La Isla Horrible“ getauft. Das war wirklich kein Spaß- oder Genußschwimmen und ein Flow kam überhaupt nicht auf. Ich musste die ganze Zeit über sehr stark körperlich und mental kämpfen sowie auf meine gesamte gesammelte Freiwassererfahrung zurückgreifen. Danach brauchten wir erstmal ein Bier und eine ausgiebige Siesta .
Ansonsten war die Organisation der Veranstaltung sehr gut, bis auf den Teil, an dem ich in eine andere Richtung geschickt wurde und die Verpflegungsstation verpasst habe. Aber die Anmeldung, Startnummerausgabe, Briefing und die Betreuung während des Events war vorbildlich. Außerdem war ich knapp über dem Zeitlimit von 4h, aber das wurde zum Glück nicht so eng gesehen. Der letzte Finisher auf der Langstrecke kam über eine Stunde nach mir ins Ziel.
Da wir beim Schwimmen sehr wenig von der Insel wahrnehmen konnten, haben Uli und ich am nächsten Tag einen Bootsausflug zur „Isla Horrible“ gemacht. Das geht mit dem Schiff ziemlich schnell und wir konnten auch die Unterwasserwelt durch den Glasboden bewundern. Es waren aber tatsächlich an dem Tag keine Quallen zu sehen, die wollten wir nämlich als Beweis fotografieren . Die Insel ist ein Naturschutzgebiet und es brüten viele Vögel dort. Man kann auf begrenzten felsigen Wegen auf den Gipfel der Insel gehen und hat einen schönen Ausblick in alle Richtungen. Wir haben uns bei dem Ausflug ein Stück weit mit der Insel ausgesöhnt, auch wenn ich weit davon entfernt bin, sie als „Isla Bonita“ zu bezeichnen .
Insgesamt war unser Eindruck von Benidorm abseits der unsäglichen Architektur eigentlich überraschend gut. Die Menschen waren freundlich, das Essen in den Restaurants keine Massenabfertigung und der Strand war sehr schön. Natürlich mag das zur Haupturlaubszeit anders sein. Besonders beeindruckt hat mich die Begegnung mit Christina, einer 77-jährigen Engländerin, die seit 22 Jahren in Benidorm lebt und sich jeden Tag um ca. 45 Katzen in der Umgebung kümmert und jeder einen Namen gegeben hat. Sie sorgt auch dafür, dass die Katzen kastriert werden und sich somit nicht vermehren. Für Futter und Operationen geht ihre ganze Pension drauf und sie kann maximal für einen Tag in ihre Heimat fahren, um ihre Kinder und Enkel zu besuchen. Aber man spürt sofort, dass sie das gerne macht und ich finde, es müsste mehr solcher Menschen auf der Welt geben!
Ich bin sehr froh, dass ich nach einem Jahr Pause wieder mit dem Schwimmen angefangen habe und an solchen tollen Events wie dem Oceanman teilnehmen kann, um schöne, anstrengende und herausfordernde Erfahrungen zu machen und über die Grenzen hinauszugehen. Dabei möchte ich mich bei allen Unterstützern bedanken wie bei Daniela Di für das mentale Coaching, was mir bei dem Schwimmen sehr geholfen hat, und Oliver Balbach für die Erstellung der Trainingspläne, auch wenn Uli und ich bei den 6-8 km-Einheiten ziemlich geflucht haben
Mein besonderer Dank gilt natürlich meinem Trainingspartner Uli, mit dem ich viele Stunden im Schwimmbad oder See verbracht habe und mit dem man danach auch noch toll feiern kann . Es ist sehr schön, dass wir uns immer gegenseitig so gut motivieren konnten und ich hoffe, dass wir noch viele Schwimmevents gemeinsam bestreiten